EIN RENTNER ZIEHT EIN…
RUDI DER SENIOR
….. jede Minute müsste er ankommen – meine Anspannung steigt und mir gehen 1000 Gedanken durch den Kopf. Rudi, der süße, kleine 10-jährige Senior aus Rumänien wird der Kleinste in unserem dann 5-nasigen Rudel sein.
Wird er klarkommen, wird er sich durchsetzen können? Wird er sich nach fast 10 Jahren Tierheim überhaupt einleben können?
Irgendwie tut er mir jetzt schon leid…. sooo viel Neues, und der größte Hund im Rudel hat 74 cm Schulterhöhe und 58 kg. Also ungefähr 4 x so groß wie das arme, kleine Rudilein…...
EINE STUNDE SPÄTER
So kann man sich täuschen...er ist aus dem Auto gestiegen wie ein Eroberer, hat problemlos den ersten Spaziergang seines Lebens gemeistert ohne sich allzu sehr in der Leine zu verheddern, kommt mit 4 wesentlich größeren Hunden supergut klar und sitzt nun neben mir auf dem Sofa. Der Blick geht besitzergreifend in Richtung meiner Katze und ich ahne, was der kleine Terrier-Dickschädel denkt: MEIN Frauchen, MEIN Sofa, MEINE Katze. ALLES MEINS!!
Das begießt er in den nächsten Stunden dann auch ausführlich – nach den ersten „Missgeschicken“ bekommt er eine Windel um und hat nach der ersten Woche gelernt, dass diverse Geschäfte nach draußen gehören.
Was er mehr oder weniger gerne tut – es ist Winter und er ist sooo glücklich, nach jedem mal draußen Bibbern wieder ins Warme flitzen zu können. Rudi freut sich wie Bolle, dass er ein Zuhause hat - und zaubert mir mit seiner Freude jedes Mal ein Lächeln aufs Gesicht.
Ich wundere mich, dass Rudi anscheinend kaum das Bedürfnis nach Ruhe hat – ungewöhnlich für einen Hund, der so eine gravierende Veränderung durchmacht. Aber Rudi saugt alles Neue auf wie ein Schwamm und kann gar nicht genug davon bekommen. Autofahren? Alles easy ! Er braucht zwar Hilfe beim Einsteigen, würde dann aber gerne das Lenkrad übernehmen, ich soll ihm doch bitteschön den Schlüssel aushändigen (pardon: auspfögtigen).
HOBBIES
Er legt sich diverse Hobbys zu die meinen Adrenalinspiegel in ungeahnte Höhen treiben:
Mit großer Begeisterung klaut er kleinere Teile aus der gerade gelaufenen Spülmaschine. Am liebsten noch ganz heiß – die versucht er dann zu knuspern. Seine Favoriten sind Dessert-Schälchen aus Glas.
Er pieselt in das Bullauge der Waschmaschine und schnuppert dann, ob das für die Wäschemenge reicht, oder ob er noch mal „nachlegen“ muss.
Rudi hat auch eine Vorliebe für asiatisches Essen - dafür klettert er gerne mal über Hocker und Schreibtisch, um an einen Teller auf einem Schrank zu kommen, den ich da mal eben für 3 Sekunden abgestellt hatte. Ich dachte, da wäre er unerreichbar für Hunde….. Dass er auf dem Schreibtisch über die PC-Tastatur latscht und dabei eine Tastenkombination erwischt, die irgendeine Einstellung verändert - das stört den kleinen Mann natürlich nicht ;-)
Er probiert alles aus, was er in seinem Tierheimleben nicht kennen gelernt hat: Milchkaffee (schmeckt), Katze (würde ihm schmecken, kratzt und beißt aber hundsgemein), Zahnpasta und Maschinenöl (schmeckt eher weniger), Frauchens Kopfkissen, Pappkartons, Zwiebelschalen, Käsebrot und das Holz der Wohnzimmertüre… Die Liste könnte ich fast endlos fortsetzen, Rentner Rudi entdeckt die Welt wie ein Welpe.
NACH 4 WOCHEN...
hat Rudi entdeckt, dass er rennen kann. Erst im Garten – juhuuu, endlich mal ganz viele Meter am Stück, ohne dass gleich ein Gitter kommt. Das wird ab sofort Rudis bevorzugte Gangart. Dann in der Wohnung. Da wird das Ganze auf glatten Böden schon wesentlich schwieriger. Es vergeht kaum eine Stunde, in der ich nicht ein dumpfes „Flöpp“ höre – Rudi ist mal wieder zu schnell um eine Kurve geschlittert und unsanft von einer Wand gebremst worden.
Das scheint ihn aber nicht zu stören, Rudi rennt freudig weiter…. Bis zum nächsten dumpfen „Flöpp“. Sagte ich schon, dass Rudi ein 10 Jahre alter SENIOR ist ?
SPORTLICH
Der kleine Kerl wird mit jedem Tag sportlicher…. Er turnt über Tische und Fensterbretter, klettert auf Mülltonnen und hangelt sich über Zäune, versucht sich unter dem Zaun einen Rettungstunnel zu graben und hat Energie wie ein Junghund.
Und wenn er dann doch mal auf dem Sofa sitzt, kann ich davon ausgehen, dass er sich entweder auf meinen Kater draufgesetzt hat, gerade ein Kissen zerkaut oder den nächsten Unfug ausheckt.
Wenn ich mit ihm schimpfe, setzt er sich vor mich hin und grinst. Was teilweise daran liegt, dass sein Gehör nicht mehr das allerbeste ist – und teilweise daran, dass er sich viel zu sehr über jede Form von Aufmerksamkeit freut, als dass mein harmloses Schimpfen etwas Negatives sein könnte.
FEIERABEND
Der abendliche Kampf ums Bett (Rudi hätte gerne meines, ich dürfte dafür aber gerne in seinem Körbchen übernachten) und der morgendliche Kampf, dass ich ungestört auf die Toilette gehen darf, gehört längst zum täglichen Ritual, und gäbe es Meisterschaften im Stalking, hätte Rudi große Chancen auf einen Titel.
FAZIT
Ab und zu rumpelt es in unserem schwarz-bunten Haufen - hauptsächlich dann, wenn einer denkt, er wäre futtertechnisch zu kurz gekommen. Egal, wer anfängt - es ist immer Zwerg Rudi, der als erster hoch erhobenen Hauptes aus dem Getümmel schreitet, während ihm 140 kg geballte Hundepower bedröpst hinterher schauen. Rudi passt in unseren Chaotenhaufen wie die Butter aufs Brot. Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, dass er mal NICHT da war.
Und von wegen „....armer kleiner Rudi, wie wird er sich wohl einleben ?….“ ;-)))
Eva Neumann